Teil 1 – Marokko für Anfänger
Im Frühjahr hatte ich eine Einladung des Dfrost Camps in Taghazout bekommen. Ich sollte ein paar Freunde mitnehmen und im November mal das Camp und die berühmten Pointbreaks in der Gegend checken. Ich ließ mich da natürlich nicht zweimal fragen und sagte zu. Timo und Jens erklärten sich bereit mich zu begleiten und zusammen freuten wir uns auf etwas Wärme und natürlich pumpende rechtsbrechende Wellen. Außerdem dachten wir, dass es Ende November dort auch nicht allzu voll sein sollte. Freitag Nachmittag stieg ich dann zu Jens in den Van und wir machten uns auf den Weg zu des Don´s neuer Residenz im lieblich Darmstadt. Damit wir auch ja motiviert den Flug ins Warme angehen würden goss es die ganze Strecke wie aus Eimern. Kurz vor Mitternacht rollten wir dann bei Timo in den Hof und hatten gerade noch Zeit für ein schnelles Bier, bevor es für eine viel zu kurze Nacht ans Schnarchen ging.
Samstag:
Der Wecker schrillte um 4, überflüssige Tätigkeiten wie Duschen und Zähneputzen wurden gecanzelt und 15 Minuten später waren wir on the road zum internationalen Luftdrehkreuz Frankfurt – Hahn. Den Flughafen erreichten wir nach einer sehr kurzen Nacht gegen 4:30. Zeit genug, um noch mal das Gewicht der einzelnen Gepäckstücke zu optimieren, damit auch ja kein Rucksack mehr als 10,00000 kg hat. Ryanair nimmt es damit ganz genau. Der Start war dann dank des Sturmtiefs über der Nordsee etwas wackelig, aber sobald wir die Reiseflughöhe erreicht hatten konnten wir etwas Schlaf nach holen. Bei der Landung in Agadir klatschten dann tatsächlich ein paar Fluggäste. Der Gang über das Rollfeld machte uns klar, dass hier noch Sommer ist. Zum Glück dauerte das Durchqueren des Zolls nicht übermäßig lang und auch den Mietwagen hatte ich relativ schnell organisiert. Als ich dann mit dem 206er zum Terminal rollen wollte um die Jungs einzuladen war der Weg dahin versperrt. Ich fuhr dann ein bisschen im Kreis und rollte dadurch ein zweites Mal auf die königlichen Polizisten zu, die mich beim ersten Mal noch durch gewunken hatten. Diesmal musste ich anhalten und die beiden freundlichen Herren forderten mich auf, Ihnen die Fahrzeugpapiere und den Führerschein zu geben. Als sie die Papiere hatten erzählten sie mir, dass ich ein Stop Schild nicht beachtet hätte und deshalb jetzt 700 Dirham (knapp 80 Euro) Strafe zahlen müsste. Ich wusste zwar von keinem Stop Schild, dass ich nicht beachtet hätte – später fand ich heraus, dass da tatsächlich eins war, 8-eckig mit 2 Ruderern im Kanu drauf, aber nicht rot wie sonst überall und damit sehr leicht zu übersehen – kam aber natürlich nicht darum zahlen zu müssen. Die Jungs hatten wohl an meinem zweimaligen kreiseln glasklar erkannt, dass ich mich hier nicht sonderlich gut auskenne und sofort zugeschlagen. Willkommen in Marokko. Inzwischen war auch der Shutle Service vom Camp angekommen und so hatte ich wenigstens jemanden, der uns ohne große Umwege um Agadir herum an die Küstenstraße lotsen konnte. Raschid, der Fahrer war ein echter Marokkaner und daher in der Lage gleichzeitig zu telefonieren, Geschichten über seine letzte Surf Session sowie weibliche europäische Surferinnen zu erzählen und dabei exakt einen halben Meter Abstand zum voraus fahrenden Fahrzeug zu halten. Dieser Abstand war dann etwas kurz, als auf der vierspurigen Straße ein heldenmütiger Lastwagenfahrer von der rechten Spur urplötzlich beschloss, die Fahrtrichtung wechseln zu müssen. Er zog dabei ohne Vorwarnung einfach links rüber und hoppelte über den Mittelstreifen ohne anzuhalten auf die Gegenfahrbahn. Das überraschte dann sogar die marokkanischen Autofahrer, die alle vorschriftsmäßig den Mindestabstand von 50 cm eingehalten hatten und die Kolonne kam sehr abrupt zum Stehen. Für Raschid war das etwas zu abrupt und er schob den Vordermann ein Stück weiter. Nicht dass das seinem Fahrzeug etwas ausgemacht hätte – der SUV ist sehr robust – aber wir hatten Sorge, dass der Kleinwagen vorne etwas abbekommen hätte. Nach einem kurzen Check am Straßenrand stellte sich dann aber heraus, dass der Wagen nicht mehr an Schäden erlitten hatte, als ein richtiges Auto hier sowieso haben muss und wir konnten dann doch recht schnell weiter fahren. Wir erreichten dann sicher das Camp in Taghazout und waren hoch erfreut, dass es sich als eines der besten Adressen vor Ort heraus stellte. Jordy und sein Partner hatten sich hier echt Mühe gegeben, fast jedes Zimmer hat einen eigenen Balkon, dazu ein großer Aufenthaltsraum und davor noch eine große Terrasse, mit gut beschirmten bequemen Sitzmöbeln perfekt zum chillen. Wir hatten dann allerdings nur kurzen Chillbedarf und so ließen wir uns bald von Rachid zu einem Spotcheck einladen. Rachid machte dabei die Scharte von vorhin wieder wett, indem er uns bewies, dass bei der vorher beschriebenen Fahrweise nebenbei auch noch die Spots entlang der Straße checken konnte. In Tamri schlüpften wir dann in die neos und paddelten bei bis zu kopfhohen Wellen raus. Leider waren die wegen der hohen Tide nicht wirklich perfekt und die Strömung erleichterte die Wellenauswahl auch nicht gerade. Egal, nass geworden sind wir und die ein oder andere Welle wurde auch gesurft. Zurück im Camp zogen wir noch schnell für ein Dinner in den Ort und gingen dann früh ins Bett.
Sonntag:
Nach einem üppigen Frühstück auf der Terrasse machten wir uns auf den Weg zum Boiler. Der Swell sollte heute schon etwas größer sein und tatsächlich liefen dort bei dem typischen steifen offshore sehr ordentliche Wellen rein. Leider waren hier auch bereits 40 unserer besten Freunde draußen, was und davon überzeugte, weiter zu suchen. Tamri war verblasen und wir beschlossen Immessouane einen Besuch abzustatten. Von dem Parkplatz oberhalb der Bucht sah das auch ganz nett aus. Allerdings konnten wir von hier oben auch ein paar SUP-ler erkennen und rollten dann relativ skeptisch das letzte Stück zum Ort runter. Die Left neben dem point lief dann zwar ganz passabel, war aber völlig überfüllt. Der Point selber war winzig und wurde von einer Horde von Longboardern zum entspannten Rumrutschen genutzt. Wir fuhren dann doch zurück und gingen letztlich am Killers raus, dem Spot, der schon auf der Hinfahrt ganz gut aussah. Während Timo und Jens sich auf den weiten Paddelweg zum Killers machten blieb ich an der Inside um meine limitierte Paddelkondition zu schonen für das, was die nächsten Tage kommen sollte. Als ich dann wieder oben an der Straße stand und gerade meinen Neo ausziehen wollte hörte ich ein Rumpeln und sah, wie ein Wagen von der Teerstraße aus den Hang runter rutschte. Ich dachte erst, dass das aber eine ziemlich steile Piste wäre bis ich realisierte, dass der das nicht mit Absicht machte. Der Wagen rutschte dann – zum Glück ohne sich zu überschlagen – gute 30 Meter den Schotterhang runter, bis ihn ein Baum aufhielt. Das Ganze sah ziemlich übel aus und entsprechend schnell eilten weitere Autofahrer zu Hilfe. Wie sich nachher aber rausstellte war dem Fahrer zum Glück nicht viel passiert und zwei Tage später war auch der Wagen weg. Bin mir sicher, dass die Karre bereits wieder fährt. Abends gab´s dann ein fettes Barbecue im Camp.
Montag:
Heute sollten die ersten Vorboten eines kräftigen Swells eintreffen. Knapp 3 Meter mit 12 bis 13 Sekunden sollten ab Nachmittag rein laufen und bis Mittwoch so bleiben. Morgens fuhren wir erst mal zum Devils Rock und hatten eine nette Beachbreak Session in schulterhohen Wellen. Leider recht voll und mit einigen Longboardern, aber trotzdem spaßig. High Tide saßen wir im Camp aus und machten uns dann am Nachmittag auf die Spotchecker Runde. Leider ließ der erhoffte Swell noch auf sich warten und so gingen wir dann doch wieder am Devils Rock raus. Die Sunset Session war dann auch sehr schön und die ein oder andere nette Welle wurde geritten. Abends stärkten wir uns in der lokalen Restaurant Szene und bereiteten uns ansonsten mental auf den morgen sicher kommenden Point break Surf vor.
Teil 2 – Lake Taghazout
Dienstag
Heute sollte der Peak des Swells kommen. Wenn nun wieder außer dem notorisch überfüllten Boiler keiner der Points laufen würde, wüssten wir auch nicht mehr weiter. Dummerweise war die Tide ungünstig. Low Tide sollte am frühen Nachmittag sein. Um ganz sicher zu gehen standen wir eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang auf und machten uns auf den Weg zum Devils Rock für eine erste Session. So würden wir noch etwas vom niedrigeren Wasserstand an einem Spot, der auch bei höherer Tide noch funktioniert, abbekommen. Wir hatten dazu die Hoffnung, dass wir auf diese Weise den guided Camp Horden ein Schnippchen schlagen könnten, die ja erst noch ab 8 Uhr frühstücken mussten, bevor sie los konnten. Den teuflischen Felsen erreichten wir dann noch vor Sonnenaufgang und tatsächlich hatten wir den Spot für 15 Minuten für uns allein. Welle war da, allerdings bei weitem nicht das, was wir uns von einem 15 Fuß Swell erhofft hatten. Die Kombination aus sehr nördlicher Swell – Richtung und einer geringen Periode von nur 12 Sekunden war wohl doch ein Problem für die Gegend. Wir hatten ein paar nette Beachbreak Wellen, die uns vollauf befriedigt hätten, wenn wir nicht für kraftvollen Pointbreak Surf gekommen wären. Schnell wurde es dann auch wieder voller und wir zogen früh wieder ab um im Camp noch was vom Frühstück abzustauben. Danach machten wir uns gleich wieder auf den Spotchecker Weg. Im Vorbeirollen schien La Source ganz gut zu laufen, aber wir fürchteten die aufkommende Tide und die See Brise. Am Boiler hielten wir kurz an – Tide war zu hoch und Wellen waren zu groß – und entschieden uns dann, nochmal auf den weiten Weg nach Immessouane auf uns zu nehmen. Wir sollten es kurz vor Low Tide dahin geschafft haben. Nach etwas nerviger Fahrt erreichten wir den Checker – Parkplatz und hielten kurz an. Swell war da, das konnten wir von hier oben sehen und der Wind passte auch. Allerdings schienen die Wellen nicht richtig gut um den Point rum zu laufen. Unten dann hatten wir Gewissheit. An der nach Westen ausgerichteten Küste krachte es ordentlich, aber in der Bucht hatten wieder nur die Eigentümer der ganz großen Planken Spaß. Wir waren bereits von der Fahrt und der Hitze, an die wir uns immer noch nicht so ganz gewöhnt hatten, recht genervt. Der unkooperative Swell tat nun sein Übriges. Wir stärkten uns noch mit ´ner Coke und etwas Brot in einem der mickrigen Läden im Ort und machten uns dann auf den Rückweg. Am Boiler hielten wir nochmal an. Keiner draußen aber doch etwas zu groß, bei einer steifen offshore Brise. Als wir wieder los wollten spannte sich wieder mal eine Schnur über die Piste. Diesmal hatten die beiden Jungs Verstärkung von einem etwas größeren Kerl erhalten. Ich war ein bisschen schlapp und beschloss daher die Sache nicht über die volle Konfrontation zu lösen und bot daher dem Typen als erstes eine Zigarette an. Wir einigten uns dann auf insgesamt 3 Zigaretten Wegezoll und rollten weiter. Im Vorbeifahren checkten wir noch Draculas, wo die scharfen Felsen auf das Blut von zwei Boogie Boardern und einem Surfer warteten. Fette Lines, die sehr nahe an den Klippen brachen. Letztlich hielten wir dann wieder am Killers, an dem Wellen mit ordentlicher Größe brachen, auf die aber auch eine ganze Menge Wind drauf stand. Timo, Jens und unser norwegischer Ölarbeiter Helge paddelten raus. Ich fühlte mich ziemlich platt und beschloss erst mal zum Anker weiter zu fahren und ein paar Fotos zu machen. Später stellte sich dann raus, dass die Jungs ein gutes Paddeltraining aber keine wirklich gute Surf Session scorten. Ewig viel Fahrerei und die Beach Break Session am Morgen brachte noch den besten Surf. Klassisch vercheckt. Vercheckt vor allem auch deshalb, weil ich am Anker dann feststellte, dass dort trotz passable Wellen liefen. Die Crowd war natürlich enorm, aber es waren eine Menge Leute draußen, die nicht wirklich den Plan hatten und dazu brachen Outside und Inside und ab und zu räumte ein größeres Set auf und ließ dabei Schulterhockern eine Chance für einen langen Ride. Wären wir blos mal da raus gegangen. Für mich kam das aber nicht mehr in Frage, denn n ach ein paar Fotos bekam ich leichte Schwindelgefühle und fühlte mich noch schlapper. Sollte der Marokko Bug zugeschlagen haben? Auf jeden Fall fuhr ich erst mal ins Camp und legte mich mal kurz hin. Ein paar Fieberschauer und etwas Bauchgrimmen später wachte ich wieder auf, es war schon dunkel und die Jungs hatten den Weg vom Killers ins Camp zu Fuß zurücklegen müssen. Ich verzichtete dann auf ein Abendessen und horchte 14 Stunden an der Matratze. Der Ruf nach meinem Kumpel Ralf, der sich immer in der Toilettenschüssel versteckt blieb mir zum Glück erspart. War wohl doch nur etwas viel Sonne gewesen, vielleicht gepaart mit ein paar wenigen Verunreinigungen im Essen…..
Mittwoch
6 Uhr morgens. 14 Stunden Schlaf waren nun mehr als genug. So schloss ich mich Timo und Helge an, die eine Dawn Patrol machen wollten. Es sollten heute zwar noch um die 2 Meter Swell laufen, aber die Diskrepanz zwischen Vorhersagen und tatsächlichen Wellen der vergangenen Tage hatte uns misstrauisch gemacht. Timo musste noch dazu heute Abend abreisen. Es war also seine letzte Chance. Jens hatte ursprünglich eigentlich auch mitkommen wollen, lag nun aber wieder zermatscht im Bett. Ob´s auch die Sonne oder aber die Pizza gestern Abend in Town war, war unklar. Timo, Helge und ich fuhren also los und checkten als erstes Killers. Niemand war im Wasser, aber ganz draußen am Point bewegte sich ein bisschen was. Zu weiteren Experimenten und Checkerrunden hatte keiner Lust, auch weil das Wasser am auflaufen war. Die beiden Jungs machten sich an die weite Paddelstrecke und ich schleppte meinen geschwächten Körper auf die Klippe um ein paar Fotos zu machen. Es war windstill aber am Peak schwabbelten nur vereinzelt brauchbare Wellen rein, die rapide an Größe abnahmen. Die Jungs kamen ein paar Mal ins Rutschen, hatten aber ansonsten nur ein nettes morgendliches Paddel Workout. Wir fuhren dann bald zurück und schafften es noch rechtzeitig ins Camp um etwas vom Frühstück abzustauben. Hierbei kam uns zugute, dass die Hälfte der Camp Bewohner die Nacht auf stillen Örtchen mit Rufen nach ihren Freunden, die komischerweise alle Ralf hießen, verbracht hatten. Ich legte mich dann wieder hin, während Timo eine letzte Verzweiflungssession am Devils Rock einlegte. Danach musste er ziemlich unbefriedigt den Heimflug antreten. Am späten Nachmittag überlegte ich mir, dass ein spärliches Frühstück als einzige Nahrungsaufnahme in den vergangenen 36 Stunden vielleicht doch etwas wenig wäre. Allerdings war heute Schlachtfest, einer der wichtigsten islamischen Feiertage und entsprechend war alles an Restaurants zu. Ich zog trotzdem los und hatte Glück, dass inzwischen einige der kleinen Tante Emma Läden geöffnet hatten und es gelang mir etwas Brot zu ergattern. Der kurze Weg durch den Ort war dabei recht aufregend, denn entsprechend einer Halloween – ähnlichen Tradition rannten eine Menge Jugendlicher rum ein paar Dirhams abzustauben. Im Gegensatz zu den harmlosen Halloween – Verkleidungen in unseren Gefilden waren die Herren aber in die Felle frisch geschlachteter Schafe gekleidet und klopften einem schon mal mit einem vor kurzem noch sehr lebendigen Huf auf die Schulter. Ich kaufte mir meinen Weg mit ein paar Münzen frei und verschlang im Camp erst mal trockenes Brot, das ich mit einem medizinisch sehr wirksamen Bier runter spülte. Dann ging´s wieder früh ins Bett.
Donnerstag
Für heute war maximal ein Meter „Welle“ angesagt. Jens und ich waren aber wieder soweit auf den Beinen, dass wir raus mussten. Last Hope war Tamri. Dort war es schön windstill und das Wasser hatte Ostsee – ähnliche Fältchen. Wobei die Ostsee solche Fältchen nur an einem eher schlechten Tag hat. Rund 200 Leute lagen schon im Wasser und übten vergnügt „Surfen“. Wir paddelten trotzdem raus und konnten ein paar kleine Wellchen abrutschen. Danach war chillen im Camp angesagt und wir besprachen die Chancen, die der für morgen angesagte Swell mit 3 Metern und 15 Sekunden wohl bieten würde. Sorge machte uns dabei wieder die Swellrichtung aus fast exakt Nord. Hoffnung machte uns die Tatsache, dass Timo bereits wieder in Deutschland war…. In der Hoffnung, dass der Swell vielleicht doch etwas früher ankommen würde, fuhren wir am späten Nachmittag an den Devils Rock. Dort lief dann auch schon mal ein 1,20m Set rein und wir blieben draußen bis es stockdunkel war. Zurück im Camp profitierten wir erneut von der weiterhin hohen Marokko – Bug – Ausfallquote unserer Mitbewohner und konnten so noch am Dinner teilnehmen, obwohl wir es verpasst hatten, uns rechtzeitig anzumelden. Sehr kräftige Portionen des hervorragenden Chicken Couscous´ waren nach zwei Tagen Fasten und der heutigen Planscherei im Meer genau das richtige und wir waren bereit für die letzte Chance auf richtigen Swell, die uns Taghazout morgen hoffentlich bieten würde.
Freitag
Letzte Chance. Die Vorhersage war gut, 3m Swell mit 15 Sekunden Periode, allerdings wieder aus Nord. Leichter bis gar kein Wind. Die Tiden sollten auch passen, High Tide am frühen Nachmittag bedeutete, dass wir morgens und abends vom Niedrigwasser profitieren könnten. Wir waren voller Hoffnung und auf Grund der Erfahrungen von Anfang der Woche doch skeptisch. Würde die höhere Swell-Periode die ungünstige Swell-Richtung kompensieren können und die Points zum Leben erwecken? Um 6 Uhr standen wir auf. Kaffee gab´s noch keinen, also musste ein Tonic Water aus der Hausbar den Flüssigkeitshaushalt auffüllen. Erster Swell Check auf der Terrasse im Dunkeln. War verdammt wenig, was sich da vor den Häusern von Taghazout bewegte. Zweiter Check auf der anderen Seite des Gebäudes. Wir liefen kurz zur Straße hoch, und das was wir sahen ließ uns wach werden. Im diffusen ersten Licht des Tages waren deutlich ordentliche Lines erkennbar. Keine Experimente heute und direkt ab zum Anchor war die Parole. Dort – es war immer noch mehr als eine halbe Stunde bis zum Sonnenaufgang – lagen bereits knapp 20 Leute im Lineup, während dahinter noch die Nussschalen der lokalen Fischer ihre Bahnen zogen. Jens machte sich fertig und als er rein sprang und noch keine 20 Meter gepaddelt war tauchte vor ihm an der Inside eine leere Welle auf, die sich an der Meute am Main Peak vorbei geschlichen hatte. Geistesgegenwärtig paddelte er sie an und holte sich einen Aufwärmer Ride, der zu allem Überfluß auch noch durch die gerade durch die Wolkendecke brechende, aufgehende Sonne in goldenes Licht getaucht wurde. Guter Start, und eine Zeitlang funktionierte auch die Taktik, sich mehr an die Schulter oder in die Inside zu setzen ganz gut. Aber der Strom der Leute, die ins Wasser gingen riss nicht ab und schnell spielten sich die üblichen Szenerien ab. Take Off, drei andere Leute wieder aus der Welle pfeifen, Slalom fahren um die vielen Köpfe, die vor und im Lineup herumdümpelten. Performance Surfen war so kaum möglich, denn anstatt sich auf die Welle und die Lippe zu konzentrieren, musste man einen Großteil seiner Aufmerksamkeit darauf verwenden, keinen über den Haufen zu fahren. Die Wellenausbeute reduzierte sich so für die meisten auf eine Welle pro Stunden und so verließen wir relativ schnell wieder diesen wunderbaren Pointbreak und schafften es noch rechtzeitig zurück ins Camp, um dort noch etwas vom Frühstück abzubekommen. Danach machten wir uns gleich wieder auf die Spotchecker Runde. Croc Croc war ein einziger großer Close Out während Devil´s Rock gleich daneben zu unserer Überraschung gerade mal hüfthohes Geschwabbel hatte. Wir zogen gleich weiter zum Banana Point, der eigentlich ein Beachbreak ist. Dort liefen relativ regelmäßig Sets mit bis zu schulterhohen, relativ gut laufenden Wellen rein. Schnell merkten wir, dass die 20 Leute, die da bereits im Wasser lagen mit den Wellen relativ wenig anfangen konnten und daher kein Problem sein würden. Wir paddelten mit unseren Sticks raus und positionierten uns für die Setwellen. Leider waren auch zwei SUP-ler mit draußen, die ihr Geschäft beherrschten und gleichzeitig unsäglich gierig waren. Die Sets hatten jeweils zwei gute Wellen und kamen in Abständen von rund 10 Minuten. Genug Zeit für die Tankerfahrer um gemütlich raus zu gondeln, sich irgendwo in der Nähe des Peaks zu positionieren und dank ihrer besseren Übersicht und des Auftriebs ihrer Schiffe sehr frühzeitig irgendwo in der Nähe der Take Off Zone der Sets in die Wellen einzusteigen. Mit der Methode griffen sie sich wirklich jede Setwelle ab und Jens und mir blieben die Leftovers. Die waren zwar teilweise auch ganz nett, aber nicht vergleichbar mit den Setwellen, die für 2 Stunden von nur 2 Gondoliere in Beschlag genommen wurden. Wenn die Herren SUPler so egoistisch und hirnlos weiter machen, wird es bald vermehrt Krieg in den Lineups geben. Und reichte es dann irgendwann und wir legten eine kleine Pause ein, bevor es am späten Nachmittag zu finalen Session losging. Als wir am Killers ankamen, lies gerade ein Set Outside und Inside Killers zu einem einzigen überdimensionierten Pointbreak verschmelzen. Der Anchor brach sehr weit draußen und hinterließ einen riesigen Weißwasserteppich. Jens ging am Killers raus während ich beschloss, mir den Zirkus am Anchor anzuschauen. Dort liefen ein paar wirklich gute Wellen, um die sich eine Crowd von rund 50 Männlein und ein paar Weiblein battelte. Freitag ist ja Wochenende in Marokko und so war auch die Felsplatte gut bevölkert und erinnerte etwas an eine Strandpromenade. Zum Sonnenuntergang hin hatten die Wellen etwas nachgelassen und der Lineup war bereits deutlich leerer geworden. Doch gerade als die Sonne recht kitschig am Horizont abtauchte drehte die Tide von ablaufend auf auflaufend und urplötzlich wurde der Anchor wieder zum Paradies. Traumhafte Lines liefen durch ein Lineup von vielleicht noch 15 Leuten. Die Wellen brachen an der Outside und liefen weit in die Bucht hinein. Der Traum hielt noch knapp eine Stunde an, bis es vollkommen dunkel war. Ich wünschte mich 30 Jahre zurück…. Irgendwann im Dunkeln kam dann auch Jens die Straße entlang gelaufen und hatte ein dickes Grinsen im Gesicht. Die Kombination aus Strömung und entsprechend gut im langen Lineup am Killers verteilten Crowds sowie ordentlichem Swell hatte ihm ein paar exzellente Wellen verschafft. So versöhnten wir uns quasi in letzter Minute doch noch etwas mit dem ehemaligen Pointbreak Paradies.
Resümee:
Das Pointbreak Paradies für abenteuerlustige und erfahrene Core Traveller gibt es nicht mehr. Die Kombination aus Billigstfliegern und hervorragender Camp Infrastruktur hat aus der Gegend ein Paradies gemacht für Anfänger, gesellige Aufsteiger und Leute, die mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Zeit im Wasser haben wollen. Überlegungen zum richtigen Spot bei der jeweiligen Tide und Windrichtung muss man sich nicht mehr machen, dies übernehmen nun die Guides. Wer das „richtige“ Marokko und leere Wellen sucht, wird in der Taghazout Gegend wohl nur kurz bleiben und sich dann schnell auf den Weg ins Unbekannte machen. Dafür muss man allerdings inzwischen etwas weiter weg fahren, denn selbst Spots wie Immessouane sind kein Geheimtip mehr. Die Auswahl an Unterkünften in Taghazout ist ja inzwischen sehr groß und entsprechend schwierig ist die Entscheidung, wo man sich nieder lässt. Wir können hier nur wärmstens das Dfrost Camp empfehlen. Das ist zwar immer noch ein Camp mit dementsprechend bis zu 6 Leuten in einem Zimmer und etwas wenigen Duschen. Darüber hinaus aber ist das Haus sehr schön, liebevoll gestaltet, mit großem Gemeinschaftsraum und Terrasse zum Meer hin, gut bestückt mit bequemen Sofas zum Chillen. Wer will kann sich abends noch Surf Flicks oder aktuelle Filme auf großer Leinwand anschauen. Ganz wichtig: die Betten sind gut (insbesondere mein alter Rücken ist da sehr sensibel), das Frühstück und die alle paar Tage angebotenen Dinners sind hervorragend und Jordy und seine Leute sind super freundlich.