So knapp wars noch nie. Als einer der letzten checke ich am gate ein. So langsam mutiere ich eben doch ganz bißchen zum surfer. Immer leicht verpeilt und mit diesem penetranten „paßt schon, bleib locker“-Ding. In Ericeira staun ich von den Klippen die sets am spot Ribeira d’Ilhas an. Was für Klopfer! Normale sets deutlich overhead, jedes fünfte set oder so double-overhead und gelegentlich räumt ein sneakerset mal bisschen auf. Die Felsplatte ist bei low-tide gut zu sehen und der Weg nach draußen ist verdammt lang. Nach dem shorebreak am kleinen Strand versetzt eine fette Seitenströmung die rauspaddelnden surfer gute 150 m nach Süden direkt vor die Felsen, von hier geht’s dann nach draußen. Immer neben den Wellenschultern wie an der Schnur aufgezogen paddeln sie raus.
Bis zur outside sinds gute 400m. Und gelegentlich rippt einer von der outside bis zum Ausstieg an den Felsen, das sind so bummelige 350m! Sieht easy aus, das level hier ist verdammt hoch! Am Strand stehn eine Handvoll deutsche Busse, ich red mit einem Australier, Franzosen, ein Ire, Spanier, Holländer, Italiener sind da, ich lern einen Belgier kennen und der zeigt mir noch einen pro aus Tahiti, der grad seinen Neo an der Dusche wäscht. Dann werd ich wohl mal bisschen knipsen und mein neo schonen. Am nächsten Morgen nehm ich den Belgier -Robin heißt er, „wie Robin Hood“- mit. Bisher ist Robin „fruits & vegetables in Antwerpen“ halt die 3 km immer zu Fuß zum spot gelatscht. Wir schaun erst nach Furnas, der spot läuft, Robin wurde letztes Jahr aber hier ordentlich auf einem Felsen im Wasser vermöbelt und hat kein Bock rauszupaddeln. Foz do Lizandro und Praia do Norte sind weiß, das hab ich früh morgens schon gecheckt, also wieder Ribeira d’Ilhas. Bisschen kleiner als gestern, wir sind ja zu zweit, da ist alles gleich 2-3 ft. kleiner und sieht machbar aus. Wir paddeln also raus bei midtide. Ich werd versetzt genau wie vorhergesehn und paddel in der Caravane ins line up. Immer schön mit Respektabstand zu den pockets… das geht solange gut, bis ich trotz Volldampfpaddeln und Eskimorolle von einem Klopfer vermöbelt werde und ich mir so auf 2/3 Weg nach draußen die Frage stelle, ob ich hier einen take off überhaupt ins Auge fassen werde, ich meine hallo das sind gute 8-10 ft. und mein take off bei Fahrstuhl-drops ist alles andere als sicher und hallo, die Biester haben Dampf! Ich sitz noch ein bisschen rum und lerne von den andern, dann schnapp ich mir die kleinste Welle eines sets und seh zu, dass ich heil wieder an den Strand komme. Erstmal eine rauchen. Robin kommt auch schon angeschlendert. Er wurde mit seinem 6’4“ beim rauspaddeln in der impact zone festgenagelt und an die Felsen gespült. 10 Jahre jünger, Nordseeshortboarder, ich geb zu: ein ganz klein bisschen fühl ich mich bauchgekrault, hier nicht der miserabelste surfer zu sein. Wir schaun noch 20 min.in Coxos (Koschos gesprochen) vorbei, hier laufen die sets in 300m tiefem Wasser direkt bis an die Küste und die Wellen brechen dann monstermäßig über einer Felsplatte. Auch hier sind 30 cracks im Wasser. Muß dann kurz mal in die Werkstatt, da fummeln vier mechanicos, davon einer im weißen Kittel, handgestoppte 50 Minuten rum und verkünden mir das Spielergebnis für einen Satz Türschlösser austauschen. In einer deutschen Werkstatt hätte ein Meister in drei Minuten den doppelten Preis ausposaunt und direkt mal 49,- EUR für den Kostenanschlag verlangt. Ich versteh irgendwie nicht wie Wirtschaft funktioniert. Ich sach mal freundlich „obrigado“ zum Weißkittel und darf den Kostenanschlag für lau behalten.
Ich fahr nach Peniche (Penisch gesprochen) hoch, Ribeira d’Ilhas ist noch immer zu groß für mich und São Lourenço closed out. In Peniche checke ich Molho Leste, fieser Fischereigestank und flat, Supertubos ist überhaupt nicht mein Ding, eine Welle um die sich alle kloppen und die ist schnell, steil und kurz, keine Ahnung was daran toll sein soll, na ja bin halt keine 16 mehr. Consolação passt mir auch nicht. Ich stell mich schon auf lesen ein, da find ich am Praia do Baleal was ich suche. Klasse power-beachbreak, busy aber nicht crowded, ich hab eine lange session mit schönen rides bei 4-6 ft., später noch eine session in Lagide. Auf dem Parkplatz in Lagide zähle ich gut zwei Dutzend deutsche Busse, nur deutsche Busse: RO, FS, M, LEV, K, HD, H, HH und natürlich reichlich B, ein Schweizer, okay. German Studiszene, ich denke mal bei Gelegenheit drüber nach ob Studiengebühren den Strand leerer machen würden… na okay das war jetzt der Neid des has beens… Nochmal Stop auf ein Feierabendbierchen in Ribeira d’Ilhas und dann abhängen, Essen fällt aus, alles Touriabzocke (Ausnahme „Marisqueira Ribas“ vom zentralen Platz in der Altstadt Ericeira Richtung Hafen, excellent seafood, Entenmuscheln!), Bananen + KitKat tuns auch. Am nächsten Vormittag schau ich mir die spots an der Costa do Estoril (Koschta do Eschtoril gesprochen) an. Entlang der Seepromenade reihen sich die spots in Lissabon aneinander. Alle flat bis auf Carcavelos, da laufen Microwellen. Na ist kein Wunder, der swell drückt voll von N-NW rein, meine Überlegung war halt hier was Kleineres zu finden, aber dafür ist der swell wohl doch noch nicht fett genug. Also wieder Ribeira d’Ilhas. Ich vergnüg mich in der inside am Nordende mit dem Kleinkram und freu mich meines Lebens. Draußen brechen die Wellen immer noch fett über kopfhoch und es ist voll, da sitz ich bloß im Weg rum. Ach was solls, macht mein surf-muß-besser-werden eben mal ne Pause und ich retardiere im Weißwasser, ich mein hallo das ist „Baja California Europe“ at its best und ich spiel Kreisklasse. Noch auf zwei Sagres (Sagresch gesprochen) in die kleine Jazzkneipe in Ericeira. Der Barman ist in Sabbellaune und ich lerne, dass der Portugiese wenig lacht, zur Tragödie neigt und quasi 24 Stunden am Tag reichlich melancholisch drauf ist. Das erklärt den suicidelastigen Fahrstil auf den Landstraßen. So riskant überholt nicht mal die Dorfjugend im Kreis Nordvorpommern. Außerdem darf sich ein Portugiese in Brasilien nicht wie ein Engländer in USA, down under oder NZ fühlen, weil Portugiesen und Brasilianer sind alles arme Schlucker ohne Platz für kulturelle Reflexion. Brasilianer gibt’s in Ericeira inzwischen mehr als Touris und die Einheimischen würden die am liebsten alle direkt vom schwarzarbeiten aufm Bau zurück nach Rio schicken. Diebstahl, Raub, Einbrüche, das volle Tourischreckprogramm, gar nicht gut für die locals. Engländer machen sich seit zwei Jahren bereits dünn. Undsoweiterundsoweiter, bevor er anfängt Fado zu singen zieh ich ab. Bei Sonnenaufgang steh ich in Ribeira am Strand. Early bird nützt nix, weil dicker Nebel über der Küste hängt. Ich fahr hoch nach Peniche Baleal zu den deutschen Bussen , um noch früh im Wasser zu sein, bevor die Wochenendsurfer dazustoßen. Sichtweite auch hier 20 m, ich paddel in den leckeren druckvollen beachbreak und sitz alleine im line up! Herrlich! Schulterhoher swell bricht sauber über den Sandbänken, der take off ist an der breiten Schulter schön rund, ganz meine Welt! Im grausigen Industriestädtchen Peniche was zu essen kaufen und schnell wieder an Strand. Kleines Nickerchen und dann im Süden der Bucht noch mal raus, deutlich leerer hier, aber auch nicht so klasse sets. Auf dem Rückweg Ribeira, da geht morgen was, ist deutlich kleiner jetzt. Yepp! Das war der Tag! Schulterhoher swell, lange sessions in der outside am Nordende, schön suuutsche drops und neben zwei gepflegten over-the-falls auch 120 m rides mit Ansätzen von turns. Geht doch. Kommt gut, wenn das board dahin fährt wo ich will. Sonntag gleich noch mal. Früh morgens sorgt der Land-Seewind für offshore und Traumwellen, da kriegen nur die Besten eine Welle, weil die Welle schnell und der drop steil ist, ich will nicht stören da draußen und paddel später rein.
Surfschulen gibt’s in Ericeira – Peniche übrigens reichlich, viele unter deutscher Führung. Der surfclub in Ribeira d’Ilhas schult insbesondere die Mädchen aus Ericeira, die kids lernen hier surfen, wie die kids in Garmisch skifahren lernen. Wellenreiten hat hier nichts pioniermäßiges -wie 1982, als Semente anfingen hier surfboards zu shapen- oder lifestylemäßiges mehr, wellenreiten gehört einfach zum Alltag.
Fazit: von Lissabon bis Peniche gibt’s klasse beachbreaks und exquisite Riffe für jedes level. Portugiesen sagen häufig „sch“, fahren beschissen Auto, aber können verdammt gut surfen. Brasilianer können bestimmt auch klasse surfen, aber nicht hier, weil hier sind sie sehr beschäftigt damit auch noch das letzte Fleckchen Landschaft zu verbauen und außerdem können sie ganz prima Mietwagen aufknacken und Klamotten + Kontaktlinsen klauen. Mein surf wird irgendwie nur ganz langsam besser, dafür kann ich gut Auto fahren. Baja California is ganz schön mal, aber jetzt freu ich mich auf Däne Wintersurf!
Text und Bilder Uli