Die Reiselust hat uns mal wieder gepackt und nach einigem Überlegen und Preisvergleich war die Baja California ganz oben auf unserer Liste. Ruhig, billig und endlose Pointbreaks ohne große Crowds waren dann einfach doch zu verlockend. Außerdem ließ sich das ganze noch mit ein paar Tagen in Kalifornien verbinden, was für mich (Miller) auch Neuland war. Da hatte ich mit dem Jan (doctor_surf) aus Frankfurt auch einen erstklassigen Begleiter dabei, da er schon mehrere Sommer in San Diego verbracht hatte und auch schon das eine oder andere Mal in der Baja unterwegs gewesen war. So ging es also los und nach einigen Unannehmlichkeiten mit dem amerikanischen Zoll, hatten wir es dann doch bis nach Los Angeles geschafft. Nachdem wir uns in Huntington Beach bei Carsten, einem Kumpel von Jan einquartiert hatten und fast sofort ins Bett fielen, waren wir am nächsten Morgen, dem Jetlag sei Dank, zur Dawnpatrol fit und wurden mit kopfhohen Offshorewellen begrüßt. Es war nicht so voll wie wir es uns vorgestellt hatten und wenn man den Strand einige hundert Meter entlang lief konnte man sich die Peaks auch mit nur zwei oder drei anderen Surfern teilen.
Nach einigen Tagen Akklimatisierung wollten wir aber endlich los Richtung Baja. Also schnell in den Mietwagen gesprungen und Richtung Süden gefahren. Nach ca. drei Stunden standen wir dann am 11! spurigen Grenzübergang in Tijuana. Wir wollten diesen Moloch von Stadt aber so schnell wie möglich hinter uns lassen und sind direkt auf die Mex One gen Süden.
Langsam wurde es dunkel und wir schlugen unser Lager auf dem Trailerpark in Popotola ca. 40 km hinter Tijuana auf.
Am nächsten Morgen waren wir heiß darauf endlich ins Wasser zu kommen. Wir mussten uns allerdings gedulden, da die kurze und schnelle Linkswelle vor dem Campingplatz auf Grund des hohen Tidestandes vorerst unsurfbar war. Da wir aber nicht warten wollten, luden wir schnell die Bretter ins Auto und fuhren zwei km zum nächsten Spot K38. Perfekte Lines rollten herein und es gab kein Halten mehr. Eine schöne langsame Rechtswelle, auf der man sich ganz entspannt einsurfen konnte. Nach 2 Stunden trieb uns der Hunger aus dem Wasser und wir nahmen erstmal Frühstück in Form von den allgegenwärtigen Tacos zu uns.
Zurück am Campingplatz zeigte die Linkswelle ihr ganzes Potential und war am Feuern. Allerdings brach sie immer noch sehr dicht an den Felsen, so dass wir erstmal vorsichtig zum Spot paddelten und uns alles genauer ansahen. Die ersten Ritte waren dann auch einfach geradeaus Down The Line, um bloß nicht von der Lippe vom Brett geschlagen zu werden. Mit der Zeit wurden wir aber immer sicherer und hatten immer mehr Spaß. Irgendwann waren wir am Ende unserer Kräfte und paddelten an Land. Wir blieben auch die nächsten Tage hier und pendelten zwischen K38 und Popotola hin und her, da die Wellen die ganze Zeit gut waren und schon Allan Weisbecker gesagt hat, dass man von einem guten Swell niemals wegfährt. Nach einigen Tagen wurden die Wellen dann doch wieder kleiner und wir fuhren weiter nach Süden, übernachteten in La Fonda, nahmen eine Morgensession an diesem Beachbreak mit und fuhren dann weiter nach Salsipuedes, da der Swell in den nächsten Tagen massiv ansteigen sollte und Salsipuedes die einzige Welle in dieser Gegend ist, die solch einen Swell halten kann. Nach einem ersten Eindruck der Schotterpisten erreichten wir den kleinen Campingplatz in Salsipuedes. Es waren schon einige Amis da, die auf den Swell warteten und schnell hatten wir einen gemütlichen Lagerplatz mit Blick auf den Spot gefunden. Erstmal ein Lagerfeuer angemacht und ein Süppchen gekocht.
Man lernt übrigens in der Baja ziemlich schnell, dass immer ein Lagerfeuer brennen muss, auch wenn man gar keins braucht, da sonst der Lagerplatz gar keiner ist. Nach einigen Bierchen sind wir dann freudig gespannt, was der nächste Tag wohl bringen mag, in den Schlafsack gekrochen. Es kam wie es kommen musste und der nächste Tag brachte Wellen und zwar riesengroße. Unsurfbar für uns. Nur einige surfende Halbgötter schafften es durch die riesigen Closeoutsets, die sich durch die ganze Bucht zogen nach draußen und rippten was das Zeug hielt. Es war schon ein Spektakel. Es kamen uns Gerüchte zu Ohren das Timmy Turner und mehrere Tow-In Teams an einem Beachbreak in der Nähe draußen seien. Also fuhren wir mit ein paar Amis, die sich das auch anschauen wollten dorthin und waren echt begeistert. Die Surfer ließen sich in die krassesten Closeoutbarrels ziehen und auch die übelsten Wipeouts schienen ihnen nichts auszumachen….. unfassbar. Ich wäre nach einer Welle ertunken.
Am nächsten Tag waren die Wellen zwar immer noch groß, zumindest für unsere Verhältnisse, aber immerhin surfbar. Am Anfang hatte ich zwar ganz schön die Hosen voll, aber nachdem ich die ersten zwei Aufräumsets voll abgekriegt hatte und das überlebte, gewöhnte ich mich dran. Allerdings trugen auch die Fischfarmen, die 300 Meter vor der Küste waren und ihre Fischabfälle direkt ins Wasser schmissen nicht unbedingt zur Beruhigung bei und alle Locals versicherten mir auch immer freudestrahlend, „Si, Si, Sharky!“. Salsipuedes ist ein A-frame, der über einem Riff bricht mit einer etwas langsameren Rechten und einer schnellen Linken in deren Takeoff Zone zwei dicke Brocken liegen.
Mit der Zeit wurde es voller, aber nie richtig schlimm, so wie man es an manchen Points in Marokko, oder in Frankreich im Sommer kennt. Die Amis trauen sich aus irgendwelchen Gründen und Ignoranz nicht über die Grenze und surfen lieber ihre vollen Wellen in Kalifornien. Wollen wir hoffen, dass das noch eine Zeitlang so bleibt und dieses wunderschöne Land nicht komplett von irgendwelchen ausländischen Investoren zugebaut wird, obwohl es damit leider schon losgeht. Nach der Session wurde schnell das Lagerfeuer entfacht und ein starker Kaffee gebraut. So vergingen die nächsten Tage erfüllt von surfen, essen, Bier und schlafen. Nach vier Tagen ließen die Wellen nach und wir brachen wieder auf Richtung Süden. Wir schauten uns auf dem Weg Ensenada an, aber außer dem Hafen mit seinen Seelöwen gibt es nicht wirklich viel Interessantes zu sehen und für die Walsaison war es noch zu früh, so dass Touren vor die Küste nicht angeboten wurden. Hinter Ensenada wurde es dann immer einsamer. Von Zeit zu Zeit trafen wir auf einen Militärcheckpoint, aber da wir nichts Illegales dabei hatten und wir als Deutsche und Ausrichter der nächsten Fußball Weltmeisterschaft bei den Mexikanern einen Stein im Brett hatten, gab es nie Probleme. Als nächsten Ort hatten wir uns San Isidro ausgeguckt. Der war allerdings gar nicht so einfach zu finden und da es schon dunkel wurde, fuhren wir rechts ran und beschlossen in der Wüste zu übernachten. Am nächsten Morgen wurden wir mit einem wunderschönen Sonnenaufgang geweckt. Als wir etwas später San Isidro, ein kleines verschlafenes Dorf mit ausgetrockneten Flüssen als Straßen erreichten, fanden wir zunächst keine geeigneten Spots, da alles sehr felsig war. Ein freundlicher Fischer konnte uns schließlich zeigen, wo die „Nortes“ immer ihren komischen Beschäftigungen nachgingen. Außer uns waren noch drei andere Bullis da und wir blickten auf kleine aber feine Wellen. Also erstmal ins Wasser.
Als wir danach mit einem Kaffee in der Hand den anderen Surfern zuschauten, tauchte eine Schule von etwa 20 Delfinen auf und schwammen nur 50 Meter von den Surfern entfernt vorbei. Unbeschreiblich! Wir ergaben uns wieder unserer Surfroutine und wir mussten uns nach ein paar Tagen schließlich aufraffen, da wir immer fauler wurden und immer weniger Lust hatten stundenlang im Auto zu sitzen. Also die Zelte abgebrochen und weiter nach San Quintin. Hier gab es zwar einen tollen Trailerpark direkt in den Dünen am Meer, aber der Beachbreak und die Points drumherum liefen nicht so gut und so fuhren wir relativ schnell weiter. Wir wollten nach Punta Baja und auf dem Weg dahin die weltberühmten Lobsterburritos in „Mama Espinosa’s“ Restaurant probieren. Diese waren zwar nicht billig, aber in der Tat weltklasse. Direkt gegenüber bog auch der „Weg“ zum Punta Baja ab. Hier waren die Straßen allerdings keine ausgetrockneten Flussbetten mehr, sondern volle!
Die Mexikaner versicherten uns aber immer wieder, dass der Weg richtig sei, obwohl wir immer skeptischer wurden. Die Schlaglöcher und Wasserstellen die es zu durchqueren galt wurden immer tiefer und wir wurden immer sicherer, dass wir nie wieder eine geteerte Straße erreichen würden, die wir doch eigentlich gar nicht verlassen durften, da sonst der Versicherungsschutz flöten geht. Nach 15 Meilen, für die wir nur zwei Stunden brauchten, waren wir aber endlich da und sahen auf einen Pointbreak herab, der keine Wünsche offen lies und wie so oft… niemand im Wasser.
Also rein und surfen bis einfach nichts mehr ging. Danach wieder Camp aufbauen und Feuerholz suchen, was seit Ensenada immer schwieriger wurde, da es kaum noch Bäume, sondern nur noch Büsche gab. Nach einiger Zeit setzte sich ein Fischer auf ein paar Bier zu uns und wir tauschten in allen Sprachen, die wir kannten und mit Händen und Füßen Geschichten aus. Er bot uns auch für einige Bier an, uns aus dem Dorf mit allem zu versorgen, was wir brauchten, um unseren Wagen nicht noch mehr zu quälen. Das nahmen wir natürlich dankend an, brauchten wir uns nun überhaupt nicht mehr fortzubewegen und es gab nur noch uns, Wellen, Natur und Bier. Es war schon fast schön, wenn sich doch mal irgendwelche Surfer zu uns gesellten und sich mit uns die Wellen teilten. Meistens waren dies Jungs aus dem Dorf, die mit monströsen Pick-up Trucks angerauscht kamen und abends oft noch auf ein bis zehn Bier blieben und dafür sorgten, dass wir nicht trocken fielen. Nach einer Woche mussten wir aber langsam an die Rückfahrt denken, da unsere Zeit langsam zu ende ging. Vorher wollten wir aber noch in das weiter im Inland gelegene Naturreservat der Central Baja mit seinen riesigen Kakteen und bizarren Felsformationen. So quälten wir uns also unter ständigen Stoßgebeten und dauerndem Kratzen des Bodenblechs zurück auf die Mex One, und weiter Richtung Süden. Wir füllten Wasser und Benzinvorräte auf, denn Tankstellen sind in diesem Teil der Baja selten. Die Landschaft wurde immer überwältigender und gegen Abend suchten wir uns einen Lagerplatz für die Nacht mit grandiosem Ausblick und unter riesigen Kakteen.
Der nächste Morgen bescherte uns wieder einen grandiosen Sonnenaufgang und nach dem obligatorischen Lagerfeuerkaffee mussten wir uns leider langsam auf den Rückweg machen. Wir wollten allerdings noch ein paar längere Zwischenstops in Salsipuedes und Popotola einlegen, da uns diese Spots am besten gefielen. Der Rückweg verlief ohne Zwischenfälle, allerdings waren die Wellen die ganze Zeit recht klein und die meisten Spots liefen nur noch bei Ebbe. Zurück in Kalifornien wurden wir regelrecht erschlagen vom ganzen Überfluss und Verkehr und noch nirgendwo haben wir den Sprung von arm zu reich so bewusst wahrgenommen wie hier. Es ist daher auch kaum verwunderlich, dass jedes Jahr abertausende von Mexikanern versuchen über den berühmt- berüchtigten Grenzzaun in das vermeintlich gelobte Land zu kommen, da man von den heruntergekommenen Vorstädten Tijuanas die verlockende Glitzerwelt des amerikanischen Überflusses zwar sehen, aber doch nicht an ihr teilhaben kann. Umso mehr waren wir immer wieder von der freundlichen, offenen und großzügigen Art der Mexikaner überwältigt, die uns immer freundlich und hilfsbereit empfingen. Es war an uns sie zu beneiden, da sie trotz ihrer materiellen Armut immer ein Lächeln auf dem Gesicht hatten. Solltet Ihr auch mit dem Gedanken spielen, einmal die Baja zu besuchen, können wir Euch nur dazu raten. Es ist wirklich ein einzigartiges Fleckchen Erde mit super Wellen, unglaublicher Natur, freundlichen und warmherzigen Menschen und leckerem, frischen Essen. Habt immer genügend Feuerholz, Sprit und ein geländegängiges Fahrzeug und fragt die Einheimischen nach Tipps, dann werdet ihr einen der besten Surftrips Eures Lebens genießen.