Der 23 jährige Kieler ist wohl in einer Zeitblase hängen geblieben. Er surft stilvollendet auf seinen Retroshapes und schätzt Ligurien als Reiseziel, nicht nur wegen der Wellen, sondern auch wegen der italienischen Kultur und Lebensart. Zu allem Überfluß liebt er Landkarten (aus Papier!) und bereitet damit seine Trips vor. New school goes old school! Aufgefallen ist er uns an einem perfekten Tag in Dänemark mit glassy kopfhohen Wellen in zensiert, die er mit beeindruckendem Style auf einem rottigen Funshape filetierte.
Wir wollten mehr über den Herrn wissen und haben gefragt:
Wie bist du zum surfen gekommen?
Adrian: Mein Vater war früher Windsurfer und Shaper und ist jedes lange Wochenende mit mir und Family an die Nordsee gefahren, nach Dänemark und Holland. Nachdem ich im zarten Alter von 7 Jahren meinen ersten Mast im Sylter Shorebreak zerlegt habe, habe ich erstmal Mast und Segel abgelegt und bin mit Bodyboards und von meinem Vater geshapten Styropor boards unterwegs gewesen, bis ich mit 12 Jahren mein erstes richtiges Wellenreitboard bekommen habe, dann ging`s ab. Meine ersten richtigen Wellen bin ich glaub ich in Holland gesurft. Kenne aber auch noch Noerre Vorupor ohne Wellenreiter (jaja das waren noch Zeiten;)).
Erstaunlicher weise führst Du unter deinen besten Trips neben den Kanaren Italien auf und nennst Varazze eine deiner Lieblingswellen. Wie kommt’s, dass ein Nordlicht wie du den Atlantik rechts liegen lässt und nach Bella Italia durch startet? Und was geht da am Mittelmeer ab, dass du diese Wellen so hoch einschätzt?
Adrian: Atlantik ist natürlich erste Wahl bei mir, doch das schon seit 7 Jahren, also warum nicht mal ans Mittelmeer fahren? Im Winter sind die kleinen Dörfchen an der ligurischen Küste alles andere als ausgestorben, es sind nur keine Touristen da und keine Jugendlichen, ich glaube Italien ist einer der wenigen Orte auf der Welt wo man von einer Horde 80 jähriger Omis angebaggert und in den Arsch gekniffen wird wenn man sich am Strand seinen Wetsuit anzieht, das zeugt von Lebensfreude und Lebensfreude ist hochgrafig ansteckend! Ich hatte eine meiner besten Sessions in Varazze, perfekte Wellen nur ich und mein Freiburger Reisegefährte Miro im line up und das alles im Mittelmeer. Es ist schwierig zu erklären warum, aber ich finde wenn man perfekte Wellen an ungewöhnlichen Orten hat fühlt sich das noch besser an. Außerdem ist Varazze ein verdammt guter Spot, es ist ein künstliches Riff das zur Küstenbefestigung angelegt wurde und ist so gebaut das sich die Swells schon weiter draussen so beugen, so dass sich ihre Energie nur auf dieses Riff fokussiert. Ach so, was ich immer noch gerne über Varazze sage, nachdem ich so davon geschwärmt habe und ein schlechtes Gewissen habe, dass meine Werbung zu grösseren Crowds führt, ist dass es nur im Winter Wellen hat und dass so um 1960 herum ein Schwimmer in Varazze von einem 6m Weissen Hai verspeist wurde.
Du kennst ja jetzt mit dem Mittelmeer und der Nordsee zwei Meere ganz gut, die im Allgemeinen – vor allem außerhalb Europas – nicht als richtig surfbar angesehen werden. Wenn Du die Nordsee mit dem Mittelmeer vergleichst bezüglich Wellenqualität, Konsistenz und Surfniveau der Locals, wie stellt sich das dar, welches der beiden „nicht surfbaren“ Meere hat mehr zu bieten?
Adrian: Die Nordsee hat auf jeden Fall eine viel höhere Swell Konsistenz, weil über der Nordsee viel häufiger Wind bläst: hier auf Sylt zum Beispiel sind im Winter so gut wie jeden Tag Wellen. Das Mittelmeer gewinnt auf jeden fall in Sachen Wellenpower, das liegt einfach an der Topografie. Das Mittelmeer ist mehrere Kilometer tief, während die Nordsee im Durchschnitt nur 93m tief ist und bei uns in der südlichen(Norderney) oder zentral Nordsee( Sylt, Hvide Sande) nur 30- 40m. In tieferem Wasser wandern die Swells wesentlich schneller, in flachem Wasser werden die Swells abgebremst und verlieren dabei an Energie. Außerdem ist das Mittelmeer was die Geomorphologie der Küsten angeht viel flexibler als die Nordsee es gibt mehr Riffe und Buchten. Wenn ich von der Nordsee spreche meine ich nur Dänemark, Deutschland, Holland. Schottlands und Englands Nordsee Küste sind mir leider noch fremd und so weit ich weis ebenfalls gut mit Riffen und Points bestückt. Das Level der Locals kam mir in Italien ein bißchen höher vor als in Deutschland und Dänemark, aber trotzdem gewinnt in Punkto Surfniveau die Nordsee und zwar dank unserer Holländischen Nachbarn, die sind was ich so gesehen habe auf einem relativ hohen Niveau. Fazit 2 zu 1 für Nordsee, ich bin aber auch parteiisch also unentschieden?
Aus deiner Beschreibung vom ligurischen Surf meine ich herauszuhören, dass du Deine Reisziele nicht ausschließlich nach Qualität der Wellen auswählst. Was ist Dir neben den Wellen noch wichtig, wenn du eine Reise planst?
Adrian: Die Landschaft und die Kultur sind auf jeden Fall Entscheidungskriterien für mich, die kennt man meist nur aus Erzählungen oder Bildern. wobei mich nicht nur Bilder in Surfmags und Büchern für meine reisen inspirieren, sondern hauptsächlich Landkarten. Ich liebe Landkarten, die lassen Platz für die Imagination und den eigenen Entdeckertrieb. Spotguides sind hilfreich wenn man wenig Zeit hat und viel zum surfen kommen will. aber selber entdecken macht am meisten Spaß, auch wenn es schon entdeckt ist. Das wichtigste für mich beim Reisen ist die Begleitung. Wenn man Monate lang von morgens bis abends mit dem gleichen Typ unterwegs ist, dann muss die Mischung einfach stimmen. ich bin schon seit 6 Jahren mit Miro unterwegs, der ist ein guter Surfer, hat kein Geld und ist anspruchslos. wir sind die Meister der low-budget trips mit draussen pennen, auf 3 Euro am Tag leben und Hunger haben, das kann man nicht mit jedem machen und wurde bisher immer ein Abenteuer.
Kann es sein, daß du was mit Geographie studierst?
Das mit den Landkarten ist ja auch echt old school, ähnlich wie deine Boards und Dein Surfstil (GAR nicht abwertend gemeint!). Ist der klassische Retro Stil Dein Ding? Und mit Deiner Entdeckerlust, stört es Dich, daß so viele Wege schon platt getrampelt sind und mit google earth jeder auf Spotsuche gehen kann?
Adrian: Ja, ich studiere Geowissenschaften und retro boards sind genau mein Ding. Ich bin wohl ein ziemliches „fashion victim“, immerhin mach ich noch kein Yoga. Google earth macht voll Spass, und die platt getrampelten Wege stören mich auch nicht, ich fahre genauso wie jeder Deutsche nach Fuerteventura, stell mich in die Tourischlange im line up und finde das gut.
Das paßt dann ja, das es zur Zeit angesagt ist, sich in eiskalte windverblasene Ostseewellen zu werfen und danach von super surf Sessions zu berichten…
Im Ernst, wie stehst du zu dem wannabe Meer vor Deiner Haustür? Macht Surfen Dir da Spaß oder ist das nur eine verzweifelte Aktion bei schwerstem Wellenentzug?
Hast Du vor, nach dem Studium woanders hin zu gehen wo’s mehr und bessere Wellen hat?
Adrian: Ja ich bin auf jeden Fall auch einer der sich in alles rein schmeißt was ein bißchen schaukelt. Ostsee bin ich auf jeden Fall auch immer am Start, das gute an den Sessions is aber nicht der surf sondern mit den Kumpels immer Wasser zu sein und sich auszupowern, dann schmeckt das abendliche Bier einfach besser. Das mit den Berichten von Supersessions kann ich aber absolut nicht verstehen. Da is den Leuten wahrscheinlich einfach nur langweilig weil sie außer Wellenreiten nix machen und da die Zeit zwischen den Surfs so lang ist, werden die einzelnen Sessions extrem idealisiert. Da ich genauso leidenschaftlich dem Skateboard verschrieben bin, kann mir das nicht passieren. Ich bin gerade am planen, dass ich ab nächstem Sommersemester in Schottland weiter studiere und dann seh‘ ich zu das ich dort bleibe. Ich wandere auf jeden Fall aus, was anderes kommt für mich gar nicht in Frage, ich bin zu sehr vom Ozean abhängig um in Deutschland zu bleiben.
Schottland klingt gut! War da letzten Sommer, ist wunderschön. Aber auch wieder sehr nordisch, was die Temperaturen und die Windanfälligkeit betrifft. Favorisierst Du nordische Regionen als zukünftige Heimat oder zieht’s Dich doch mehr in wärmere Gefilde?
Adrian: Zum Urlaub machen favorisiere ich auf jeden Fall die wärmeren Gefilde. Aber zum Leben zieht es mich schon in den Norden. Das Licht, das rauhe Klima die Landschaft, all das ist im Norden einzigartig. Nur der Winter hier oben verursacht Depressionen, die Tage sind viel zu kurz, die Sonne steht viel zu niedrig. Am besten wäre für mich also im Norden leben, mit viel Urlaub für die all winterliche Flucht in den Süden, so wie es die Strandvögel auch machen.
Seitdem die Neos so warm und gleichzeitig flexibel geworden sind, läßt es sich ja auch im Norden immer besser den Winter über aushalten.
Wie sieht’s bei Dir aus? Hast Du die Nordsurf Saison schon wieder eröffnet? Oder hast du, wie so viele, diesen Winter einfach durch gesurft?
Adrian: Bin in meinem 4/3er neo den ganzen Winter durchgesurft, war ziemlich kalt, aber musste sein.
Mann, hast Du Frostschutzmittel in den Adern? Ich bin schon mit meinem 5/3er fast erfroren. Hast Du schon Reisepläne für dieses Jahr?
Adrian: Leider nur das normale Programm: Sommersemesterferien 3 Monate Südfrankreich und über Weihnachten 1 Monat Kanaren. Sonst so oft wie möglich in den heimischen Gefilden.
Na das ist aber tatsächlich ein bedauernswert dünnes Programm
Ich denke, das sagt mehr über Dich, als ich je mit Fragen aus Dir rausquetschen könnte. Daher nehm‘ ich das als Schlußwort und hör‘ auf zu fragen. Danke für das Interview! Hoffe wir sehen uns die Tage mal im Norden.
Adrian wird unterstützt von: anuell und skatedelux